Geschichte des Abendgymnasiums


"Zwei Schulen wohnen, ach! in einem Haus"

Das Gymnasium Kleine Burg grüßt das Abendgymnasium zum 50jährigen Bestehen und übermittelt mit dem (leicht) abgewandelten Goethewort herzliche Glückwünsche für die kommenden mindestens 50 Jahre!

"Zwei Schulen" ... waren ursprünglich doch nur eine, denn ein Stück weit war die Geschichte unserer Schulen eine gemeinsame: Seit Gründung der "Städtischen Abendoberschule" gab es zunächst nicht nur räumliche Identität, sondern darüber hinaus institutionelle und organisatorische, war doch die Neugründung noch bis 1968 der "Städtischen Oberschule für Mädchen", später dem "Mädchengymnasium Kleine Burg" unmittelbar angegliedert. Es gab sogar einen gemeinsamen Schulleiter, und das Kollegium unterrichtete in beiden Schulformen. Als der rasante Anstieg der abendlichen Schülerzahlen eine Trennung erforderlich machte, erhielt das Abendgymnasium eine eigene Schulleitung. Weiterhin waren jedoch viele Kolleginnen und Kollegen der Kleinen Burg zugleich am Abendgymnasium tätig, und diese personellen Verflechtungen erwiesen sich als tragfähig und für beide Seiten pädagogisch fruchtbar. Die Zahl der Kolleginnen und Kollegen, die an beiden Schulen unterrichteten, nahm allerdings im Laufe der Jahrzehnte stetig ab: Folge des steigenden Lehrerbedarfs an beiden Schulen und - in Zeiten größten Lehrermangels - auch Ausdruck des Eigennutzes: Jede Schule musste zunächst an die eigene Versorgung denken. Zur Zeit gibt es keine personellen Verflechtungen mehr. So betrachtet, ist die 50jährige Geschichte des Abendgymnasiums auch eine Geschichte der radikalen Emanzipation von der Kleinen Burg!

"wohnen" ... dieses Verb vermittelt ein positives Grundgefühl gemeinsamen Aufenthalts an einem als angenehm empfundenen, "Heimat" bedeutenden Ort, dem man sich verbunden fühlt. Assoziiert wird der moderne Begriff "Wohngemeinschaft", wobei deutlich wird, dass gemeinsames Wohnen natürlich auch heißt: Aufeinander angewiesen sein, Rücksicht nehmen, sich in vielen Dingen des Alltags absprechen und auch gelegentlich Kompromissbereitschaft beweisen. An dieser Stelle sei dem Abendgymnasium, seinen Schulleitern, Koordinatorinnen und Koordinatoren, den Mitgliedern der Kollegien sowie den übrigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einmal herzlich für das vielfach gezeigte hilfreiche Entgegenkommen im Schulalltag und das wohlwollende Verständnis für die Planung und Durchführung unserer Schulveranstaltungen gedankt.
Erwähnt werden müssen auch die vielen offenkundigen Vorteile einer Wohngemeinschaft: Über die Jahrzehnte konnten Gebäude, Fachräume und Inventar gemeinsam genutzt werden. Da beide Schulen jeweils ihren eigenen Etat haben, konnte manches wertvolle Unterrichtsgerät mit vereinten Kräften angeschafft und intensiv genutzt werden. Beide Schulen profitierten von dem Mehr an Quantität und Qualität.

Doch war da nicht noch dieses ausdrucksstarke "ach!" ???
Es eröffnet einen Deutungsspielraum. Ist es gar ein Stoßseufzer des Bedauerns oder der Beschwernis angesichts der Tatsache, dass keine der beiden Schulen ein eigenes Gebäude hat und dieses "ganz für sich" nutzen darf?
Oder ist es wie ein "ach ja" zu lesen, was bedeuten könnte, dass die in früheren Jahrzehnten so vielfältigen Verflechtungen weitgehend gelöst sind und es faktisch nur noch eine räumliche Gemeinsamkeit gibt?
Oder meint dieses "ach" ein Bedauern darüber, dass es eigentlich so viel voneinander zu lernen gäbe, was allerdings durch das weitgehend veräußerlichte Nebeneinander nur rudimentär oder gar nicht (mehr) stattfindet? Um hier nur einen für uns nachdenkenswerten Aspekt anzusprechen: Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Kleine Burg haben sicher keine Vorstellung davon, welche Mühen und persönlichen Opfer die Studierenden des Agys auf sich nehmen, um das Abitur zu erreichen - bei gleichzeitiger Berufstätigkeit und oft schon vorhandenen familiären Verpflichtungen. Ob unseren Schülerinnen und Schülern bewusst ist, wie sehr ihnen durch elterliche ideelle und materielle Unterstützung sowie das "Frei-sein" von außerschulischen Verpflichtungen der Weg geebnet wird?

"in einem Haus" ... das ist ganz eindeutig unsere "Kleine Burg". Rund um die Uhr wird hier gelehrt und gelernt. Nur kurzzeitig unterbrochen von diversen Putzschichten, drücken hier von 7.50 - 22.00 Uhr Schülerinnen, Schüler und Studierende die Schulbank. Alle empfinden dieses altehrwürdige Gebäude als ein Stück Heimat, und das gilt besonders für beide Kollegien, die hier nicht nur gern arbeiten, sondern auch Schulveranstaltungen aller Art ausrichten, ja zu besonderen Anlässen sogar feiern, so wie jetzt zum 50. Geburtstag des Abendgymnasiums.

Wir wünschen dem Jubilar eine erfolgreiche Zukunft und sind optimistisch, dass die bewährte friedliche Koexistenz unserer Schulen weit über das Jahr 2000 hinaus zu beiderseitigem Nutzen Bestand haben wird.

 

Gisela Bolle
Schulleiterin des Gymnasiums Kleine Burg

 


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